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Nachhaltiges Wirtschaften stärkt die Resilienz

DLG bietet Betrieben Nachhaltigkeitszertifizierung an

Die Anforderungen an eine nachhaltige landwirtschaftliche Produktion nehmen zu. Immer mehr Unternehmen der Wertschöpfungskette verlangen einen Nachweis zur Nachhaltigkeit. Die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) bietet landwirtschaftlichen Betrieben ein Nachhaltigkeitszertifizierungssystem Ackerbau (NHZ) an. Das DLG-Programm "Nachhaltige Landwirtschaft" fördert, dokumentiert, bewertet und kommuniziert nachhaltige Landwirtschaft. Von der DLG und Experten entwickelt, ist es praxisnah und fachlich fundiert. Globale Krisen wie Klimawandel, Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten sowie Inflation und hohe Energiekosten rücken die Nachhaltigkeit neben regulatorischen Anforderungen in der Landwirtschaft stärker in den Fokus. Nachhaltiges Wirtschaften stärkt die Resilienz. Davon ist Erik Guttulsröd, stellvertretender Geschäftsführer im DLG-Fachzentrum, überzeugt. Der Bereichsleiter Betriebsführung und Nachhaltigkeit im DLG-Fachzentrum Landwirtschaft hat das NHZ Ackerbau mit seinem Team und dem DLG-Netzwerk entwickelt und stellte das System in seinem Vortrag "Transformation Landwirtschaft – Erreichen der Nachhaltigkeitsziele im Ackerbau" auf dem Ackerbautag 2024, ausgerichtet vom Frankfurter Landwirtschaftlichen Verein (FLV), vor.

Die Anpassungsmechanismen an die Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft finden bereits statt. So seien die politischen Weichen gestellt. Guttulsröd verweist auf die vergangenen Jahre: den europäischen Green Deal, die Sustainable Finance, die nationale Ackerbaustrategie, die Empfehlungen der Borchert-Kommission zum Umbau der Tierhaltung sowie die Vereinbarungen der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) (siehe Grafik 1).

Top-Konditionen sicherstellen

Dies seien Triebfedern, die die Nachhaltigkeit befeuern, sagt der Experte. Zwar sei die Landwirtschaft aktuell von der EU-Taxonomie ausgenommen, aber dennoch durch die Vernetzung in der Wertschöpfungskette und auch im Finanzwesen indirekt betroffen. Künftig verlangen aller Voraussicht nach Banken und Versicherungen von den Betrieben einen Nachweis zur Nachhaltigkeit. Liege ein solcher nicht vor, könnte dies ein Ausschlusskriterium werden oder ein notwendiges Argument, um in den Genuss von Top-Konditionen und Zinsen zu kommen. Zwar habe die EU-Kommission die finalen Entscheidungen zur EU-Taxonomie noch nicht getroffen, und vor der Europawahl im Juni 2024 dürfte es auch keine finalen Beschlüsse mehr geben, doch dass das Gesetzeswerk komme, sei lediglich aufgeschoben, nicht aufgehoben, ist sich der Experte sicher. Nachhaltigkeit messbar machen sei deshalb wichtig.

Handlungsbedarf für ein Nachhaltigkeitszertifikat Ackerbau sieht Guttulsröd zudem verstärkt auch aus einer anderen Erfordernis heraus - dem geplanten Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sowie CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive). Auch Agrarhändler oder Landtechnikunternehmen verlangen in ihren Geschäftsbeziehungen vom Agrarbetrieb zunehmend den Nachweis einer nachhaltigen Produktion, um diese in den eigenen Lageberichten als Anlage von Jahresabschlüssen für die Lieferkette ausweisen zu können. So könnte zum Beispiel ein C02-optimiertes Mehl künftig zur Lieferbedingung für die Listung im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) werden.

Bestandteil in BVVG-Verträgen

Im Sommer 2023 hat etwas überraschend, so Guttulsröd, die Bodenverwertungs- und verwaltungsgesellschaft (BVVG) in ihre Ausschreibungen von ehemals volkseigenen Flächen aufgenommen, dass Betriebe, die das Nachhaltigkeitszertifikat der DLG vorweisen, Punkte für die Antragstellung sammeln können. Dies war die erste Organisation, welche einen betriebswirtschaftlichen Vorteil für Landwirtschaftsbetriebe ausweisen konnte, was bei diversen anderen Verpächtern Schule machen könnte (Kirchen, Kommunen etc.).

C02-Fußabdruck wird zur Pflicht

Die Darstellung sei für die Landwirtschaft nicht immer einfach. So fordert der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) in seinen Vermarktungsprogrammen landwirtschaftlicher Produkte einen C02-Fußabdruck. Deshalb müsse eine Nachhaltigkeitszertifizierung für alle Produktionsformen - konventionell und ökologisch - transparent und fachlich nachvollziehbar sein. Eine pauschale Definition, wie Nachhaltigkeit entspreche dem ökologischen Landbau, hält Guttulsröd daher nicht für angemessen.

Vielmehr seien die ESG-Kriterien ganzheitlich zu betrachten und in den Prüfkriterien abzubilden. Isolierte Kriterien wie THG-Emissionen würden die Komplexität in der Landwirtschaft nicht abbilden. Daher habe das DLG-Nachhaltigkeitszertifizierungssystem 23 Indikatoren aufgenommen, die eine sachliche Zertifizierung von Nachhaltigkeit abbilden.

Aufbau des DLG-Programms

Das Nachhaltigkeitsprofil eines Betriebes wird im DLG-Programm anhand von 23 Indikatoren aus den vier Bereichen Ökologe, Soziales, Management und Ökonomie erstellt (siehe Grafik 2).

Die hohe Anzahl von 23 Indikatoren wurde bewusst gewählt, um für alle Fälle des Gesetzgebers vorbereitet zu sein.

Auditierung auf dem Betrieb

Das Nachhaltigkeitsprogramm startete die DLG mit einer Testphase im Januar 2023. Die ersten Test-Audits fanden zwischen März und Mai 2023 statt. Für die Auditierung auf dem Landwirtschaftsbetrieb nennt Guttulsröd drei Ziele.

Ziel 1 ist die Vermeidung von Bürokratie und Doppeleingaben, um ein effizientes Audit zu ermöglichen. Der Zeitaufwand für das NHZ Ackerbau muss für den Landwirt überschaubar sein und umfasst rund drei Stunden bei einer guten Vorbereitung von Betriebsdaten.

Ziel 2 ist dieNutzung des Audits für alle Betriebsformen wie Haupt- oder Nebenerwerb, konventionell, ökologisch, Einzelbetrieb oder Agrargenossenschaft.

Ziel 3 ist, dass die Nachhaltigkeitszertifizierung für alle Betriebe machbar sein sollte. „Wir haben geschaut, was in den Betrieben für Daten und Nachweise wie Dünge- und Stoffstrombilanz, Ackerschlagkartei, Agrarantrag, Bodenproben bereits vorliegen“, betont der Fachmann. Neue Bürokratien sollten bestenfalls vermieden werden.

Für den Ackerbau haben wir mit dem DLG-Nachhaltigkeitszertifikat ein Produkt, das funktioniere, erklärt Guttulsröd. In den Folgejahren sei sukzessive eine Digitalisierung der Prozesse geplant. Die Testphase ist abgeschlossen, ein Roll-Out der Zertifizierungsstelle ist in der Umsetzung.

Zeitaufwand zwei bis fünf Stunden

Erste Erfahrungen mit Testbetrieben bestätigen den Zeitaufwand von zwei bis fünf Stunden je nach Vorbereitung. An dem Konzept beteiligt waren Praktiker und Wissenschaftler, um einen leistbaren pragmatischen Ansatz für die Betriebe zu entwickeln. Auch Vertreter von Banken und Versicherungen waren dabei. Sie sind grundsätzlich mit dem System einverstanden, wenn auch der ein oder andere Indikator detaillierter hätte ausgestattet sein können. „Wir sind gut unterwegs, weil wir gestartet sind. Und wir schärfen nach“, kündigt Guttuslröd an (siehe Grafik 3).

Jeder Betrieb ist individuell und eigenständig im DLG-Nachhaltigkeitssystem abgebildet. Die Teilnahme eines Ökobetriebes habe gezeigt, dass die Ökolandwirtschaft nicht per se nachhaltig sei. Vielmehr gebe es auch bei der ökologischen Bewirtschaftung Herausforderungen bei den Indikatoren Stickstoff (N) -Bilanz, Treibhausgasberechnung und Arbeitslöhne.

Ziel des Zertifizierungssystems ist das Erreichen der Note 4 (siehe Grafik: 4). Damit sei die fachliche Praxis abgedeckt. Wegen der Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Indikatoren sei es unrealistisch, überall eine Note 1 zu erhalten. So würde eine mechanische Bodenbearbeitung anders bewertet als eine teilflächenspezifische Applikation. Die Note 6 ist das K.-o.-Kriterium. Ein nicht gesetzeskonformes Wirtschaften führe zum Ausschluss.

Der landwirtschaftliche Betrieb hat von einer Nachhaltigkeitszertifizierung einen großen Nutzen. Das DLG-Zertifikat zur Nachhaltigkeit können Betriebe sofort einsetzen. Betriebliche Leistungen lassen sich gegenüber Verpächtern, Nachbarn, neuen Mitarbeitern oder in der Direktvermarktung samt DLG-Plakette öffentlichkeitswirksam darstellen.

Zur eigenen Betriebsoptimierung leistet das Nachhaltigkeitszertifikat Ackerbau (NHZ) eine wichtige Orientierungshilfe, beispielsweise bei phytosanitären Effekten wie einer breiteren Fruchtfolge, es gibt außerdem Hinweise auf neue Ansätze in der einzelbetrieblichen Beratung.

Individueller Kostenaufwand

Auf die Frage im Plenum nach den Kosten des NHZ wurde bisher, so Guttulsröd, nach Aufwand abgerechnet. Wichtig sei, dass die Betriebe die Daten vorab heraussuchen und auf Anfrage bereithalten. Die DLG erfasst dann das Punktesystem. Für die Zukunft kündigt Guttulsröd weitere Konzepte im DLG-Programm Nachhaltige Landwirtschaft an. 


Text:
Daphne Huber,
Redaktion DLG-Newsroom, agrarticker.de 
d.huber@dlg.org 

Fragen zum DLG-Nachhaltigkeitssystem beantwortet: 
Erik Guttulsröd
DLG-Fachzentrum Landwirtschaft,
e.guttulsroed@dlg.org 


Auswahl von Indikatoren im DLG-Nachhaltigkeitsprogramm:

Ökologie:
Sticktsoff-Nutzungseffizienz
Phosphor-Saldo
Humusbilanz
Treibhausgas-Bilanz

Pflanzenschutz
Angaben aus Ackerschlagkartei, Agrarantrag
Ackerbauliche Maßnahmen, technische Ausstattung

Teilindikatoren Pflanzenschutz
Vorbeugende Maßnahmen
Förderung und Nutzung natürlicher Regelmechanismen
Anwendung nicht-chemischer PS-Maßnahmen
Anwendung chemischer und naturstofflicher PS-Mittel
Dokumentation und Erfolgskontrolle

Soziales:
Entlohnung, Arbeitszeit, Urlaub, Aus- und Weiterbildung, Arbeitnehmerbelange, Arbeits- und Gesundheitsschutz, Gesellschaftliches Engagement, Arbeitgeber.

Ökonomie
Ordentliches kalkulatorisches Ergebnis
Netto-Cash-Flow
Ausschöpfung der langfristigen Kapitaldienstgrenze, Gewinnrate, Eigenkapitalquote.
Entlohnung